DLR-Wissenschaftspreis

Zur Anerkennung herausragender wissenschaftlicher und technischer Leistungen vor allem jüngerer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vergibt das DLR alljährlich den Wissenschaftspreis. Vergeben werden bis zu zwei Einzelpreise in Höhe von jeweils bis zu 10.000 Euro; die Einzelpreise können auf mehrere Preisträger aufgeteilt werden.

Der DLR-Wissenschaftspreis 2022 wurde an die zwei Einzelpreisträger Frau Dr. Celia Baumhoer und Herrn Prof. Jakob Runge vergeben.

Environmental drivers of circum-Antarctic glacier and ice shelf front retreat over the last two decades

Die Arbeit wurde im Mai 2021 in „The Cryosphere“ veröffentlicht. Ihre Arbeit steht im Kontext eines international hochbeachteten und gesellschaftlich relevanten Themas: der Auswirkung von klimatischen Veränderungen auf die Antarktis und deren Folgen für den weltweiten Meeresspiegelanstieg.

Bisher basierte die Quantifizierung des Gletscherrückgangs auf einer äußerst aufwendigen manuellen Kartierung von Kalbungsfronten. Somit waren großflächige und bestenfalls jährliche Analysen für die gesamte Antarktis nicht möglich. Hier setzt die Arbeit von Frau Dr. Celia Baumhoer an. Auf Basis ihrer Entwicklungen konnten Änderungen in der Ausdehnung des Antarktischen Eisschildes zirkumantarktisch für die letzten 20 Jahre automatisch erfasst und quantifiziert werden.

Preisträgerin:

Dr. Celia Baumhoer

Ich bin…

Dr. Celia Amélie Baumhoer, Wissenschaftlerin am Earth Observation Center (EOC) am DLR in Oberpfaffenhofen.

Ich beschäftige mich mit…

der Fernerkundung von kalten und polaren Regionen. Für diese unzugänglichen Gebiete eignen sich Erdbeobachtungsdaten besonders gut, um Veränderungsprozesse in der Kryosphäre (z.B. Gletscher, Eischilde, Schnee und Permafrost) zu analysieren und zu quantifizieren.

Ich wurde mit dem Preis ausgezeichnet, weil..

ich im Rahmen meiner Promotion eine Methodik entwickelt habe, wie man mit Hilfe von künstlicher Intelligenz die Position von Eisschelffronten aus Radarsatellitenbildern automatisiert ableiten kann. Dieses methodische Rahmenwerk wurde weiterentwickelt, um die gesamte Antarktische Küstenline abzuleiten und in Kombination mit bestehenden Datensätzen die Veränderung der Eisschelffläche für die letzten 20 Jahre erstmalig zu quantifizieren. Zudem war es in Kombination mit Klimadaten möglich, Faktoren zu identifizieren, die den Rückgang von Schelfeis begünstigen. Hierzu gehören beispielsweise eine verkürzte Meereisbedeckung, wärmere Ozeanoberflächentemperaturen, Schneeschmelze und stärkere Westwinde (diese lassen warmes Ozeanwasser aufsteigen und lassen das Schelfeis von unten schmelzen).

Was mich an dem Projekt besonders motiviert hat, war, dass…

die Ausdehnung des Antarktischen Schelfeises eine wichtige Rolle für den zukünftigen Meeresspiegelanstieg spielt. Zu verstehen, wie sich das Schelfeis in den letzten Jahrzehnten verändert hat und welche Umweltfaktoren dafür verantwortlich waren hilft, den zukünftigen Meeresspiegelanstieg besser abschätzen zu können.

Für die Zukunft wünsche ich mir,..

dass Vorhersagen basierend auf Erdbeobachtungsdaten robuster werden, um beispielsweise die Auswirkungen des Klimawandels besser absehen zu können.

Necessary and sufficient graphical conditions for optimal adjustment sets in causal graphical models with hidden variables

Die Arbeit wurde im Dezember 2021 auf der angesehensten, internationalen Tagung zum maschinellen Lernen, der NeurIPS 2021(Neural Information Processing Systems), veröffentlicht.

Herr Prof. Runge entwickelt und kombiniert in seiner Forschung innovative Methoden aus dem Bereich Datenwissenschaften und maschinellem Lernen, wie graphische Modelle, Kausalität und Deep Learning und verbindet diese stets mit Anwendungen, wie den Erdsystem- und Klimawissenschaften, aber auch anderen Gebieten wie solarterrestrische Forschung, Biogeochemie und Physiologie. Sein Fokus liegt auf der kausalen Inferenz, einem zentralen Zukunftsthema in der künstlichen Intelligenz. Mit seinen Arbeiten hat er dabei innerhalb kürzester Zeit einen internationalen Rang in diesem hoch kompetitiven Bereich des maschinellen Lernens erworben und gilt dort als einer der führenden Experten.

Preisträger:

Prof. Jakob Runge

Ich bin…

Prof. Dr. Jakob Runge, Gruppenleiter am DLR-Institut für Datenwissenschaften in Jena und Gastprofessor an der TU Berlin.

Ich beschäftige mich mit…

der Entwicklung neuer theoretischer Grundlagen und der dazugehörigen Tools um Wissenschaftlern am DLR und darüber hinaus zu helfen, Kausalbeziehungen aus Daten zu extrahieren.

Ich wurde mit dem Preis ausgezeichnet, weil…

ich einen neuen theoretischen Ansatz und eine daraus abgeleitete Methode entwickelt habe, die es erlaubt, kausale Beziehungen sehr genau, und sogar unter der Berücksichtigung von unbeobachteten Prozessen, zu berechnen.

Was mich an dem Projekt besonders motiviert hat, war, dass…

Kausale Fragen in vielen Bereichen der Wissenschaft und Industrie auftauchen. Die Herausforderungen sind oft ähnlich und es macht mir Spaß, neue Methoden für immer neue Problemstellungen zu entwickeln und zu sehen, wie vielseitig Kausale Inferenz einsetzbar ist.

Für die Zukunft wünsche ich mir,..

das Künstliche Intelligenz durch die Einbindung von kausalem Wissen robuster, interpretierbarer und beherrschbarer wird.

Bild © Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach

Der DLR-Wissenschaftspreis wurde 2021 an einen Einzelpreisträger, Herrn Dr. Zhang, und an eine Preisträgergruppe, Frau Dr. Ansari, Herrn Dr. de Zan und Herrn Parizzi, vergeben.

Self-Aware Swarm Navigation in Autonomous Exploration Missions

In der Natur ist Schwärmen ein kollektives Verhalten, das von einer großen Anzahl tierischer Lebewesen gezeigt wird, um ein Situationsbewusstsein und eine Anpassung zu erreichen, die über die Fähigkeiten jedes Einzelnen hinausgehen. Ein Schwarm autonomer Roboter kann – analog zu einem Schwarm in der Natur – ein riesiges außerirdisches Gebiet schnell erkunden. Im Vergleich zu den Single-Rover-Systemen, die in heutigen Weltraumforschungsmissionen eingesetzt werden, kann ein Schwarm gleichzeitige Beobachtungen an verschiedenen Orten durchführen und einen Single Point of Failure vermeiden. Ein Schwarm ist daher ein vielversprechendes Konzept und stellt einen Paradigmenwechsel in zukünftigen Weltraummissionen dar.

In dieser Arbeit untersuche ich die Grundlagen des Navigationsproblems eines solchen Roboterschwarms. Ein Ergebnis der Studie besagt, dass ein Schwarm seine Formation autonom anpassen kann, um Navigationsherausforderungen auf kollaborative Weise zu überwinden – genau wie Ameisen, die auf ihren Nahrungspfaden „lebende“ Brücken bauen, um Lücken zu überwinden.

Preisträger:

Dr. Siwei Zhang

Ich bin …

… Dr. Siwei Zhang, Forscher am Institut für Kommunikation und Navigation.

Ich beschäftige mich mit …

… der Frage, wie ein Roboterschwarm in rauen Umgebungen autonom navigieren kann. Ich habe ein Framework entworfen, das die Übermittlung von Navigationsinformationen über das Schwarmnetzwerk ermöglicht. Mit diesem Framework ist ein Schwarm in der Lage, seine Formation proaktiv anzupassen, um Navigationsherausforderungen zu meistern.

Ich wurde mit dem Preis ausgezeichnet, weil …

… die geleistete Arbeit ist besonders hilfreich, um autonome Schwärme mit vielen Rovern im Hinblick auf ein breites Anwendungsspektrum zu verstehen. Das ist die Basis dafür, Grundlagenforschung in Anwendungen zu bringen, wie solche, die im Juli 2022 in der weltraumanalogen Demo-Mission HGF ARCHES auf dem Ätna demonstriert werden sollen.

Was mich an dem Projekt besonders motiviert hat, war, dass …

… einen Roboterschwarm, der außerirdische Oberflächen erforscht, ist ein faszinierendes Thema, das man normalerweise nur in Science-Fiction-Filmen sieht. Ich bin sehr glücklich, dass ich von Anfang an Teil der Schwarmnavigationsforschung im DLR bin und mich in den letzten zehn Jahren intensiv damit beschäftigen konnte. Das DLR ist dank talentierter und netter Kollegen sowie spannenden Projekten genau die richtige Plattform. um solch eine Blue-Sky-Forschung zu betreiben.

Für die Zukunft wünsche ich mir, …

… dass ein Roboterschwarm mein entwickeltes Framework nutzt, um Mars oder Mond in einer zukünftigen Weltraummission intelligent zu erkunden.

Study of Systematic Bias in Measuring Surface Deformation with SAR Interferometry

Die Radar-Interferometrie ist eine weit verbreitete und oft eingesetzte Methode zur Messung von Veränderungen der Erdoberfläche, wie z.B. Deformationen durch Erdbeben und Vulkane, Hangrutsche, Auswirkungen von Bergbau, usw. Zwei verschiedene Methoden haben sich zur Auswertung von langen Zeitreihen etabliert, PS-InSAR und SBAS, jede mit ihren eigenen Vor- und Nachteilen.

In ihrem Paper zeigten die Preisträgerin und die Preisträger, dass es bei der SBAS Methode zu bisher unbekannten und daher unberücksichtigten Fehlern kommt. Diese Erkenntnisse wurden in der wissenschaftlichen Community zuerst sehr kritisch rezipiert, aber die Autor/inn/en bewiesen nicht nur die Existenz der Fehlerquellen, sondern quantifizierten diese darüber hinaus und überzeugten dadurch die Skeptiker.

Die neuen Erkenntnisse wirken sich auf alle laufenden und zukünftigen Radarmissionen aus und tragen erheblich zu einer Verbesserung der Messgenauigkeit bei.

Preistragende:

Dr.-Ing. Homa Ansari
Dr. Francesco De Zan
Alessandro Parizzi

Ich bin …

… Dr.-Ing. Homa Ansari, ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Methodik der Fernerkundung am DLR in Oberpfaffenhofen.

Ich beschäftigte mich mit …

… der Entwicklung neuartiger Algorithmen zur Extraktion von Bewegungen der Erdoberfläche aus Zeitreihen von SAR-Bildern unter Verwendung statistischer Signalverarbeitung und Ansätzen des Maschinellen Lernens.

Die neue Generation von SAR-Satellitenmissionen liefert eine beispiellose Datenmenge der Erdoberfläche mit globaler Abdeckung und einer wöchentlichen bis zweiwöchentlichen Frequenz. Diese Datenfülle ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung der Veränderungen der Erdoberfläche. Dies findet Anwendung bei der Beobachtung vulkanischer und seismischer Aktivitäten und liefert einen wichtigen Beitrag zu Frühwarnsystemen. Die Herausforderung besteht jedoch darin, aus dieser Fülle von Daten zeitnah genaue Informationen abzuleiten. Meine Mission war es, mathematische Algorithmen zu entwickeln, die effizienten Verarbeitung der Datenmengen unter Beibehaltung der Genauigkeit der extrahierten Informationen zu ermöglichen.

Mir wurde der Preis verliehen, weil …

… wir die Genauigkeit einer konventionellen und etablierten Technik für die Verarbeitung von SAR-Zeitreihen untersucht haben. Die herkömmliche Technik wird aufgrund ihrer Benutzerfreundlichkeit und Recheneffizienz von der wissenschaftlichen und kommerziellen Gemeinschaft verbreitet und regelmäßig genutzt. Wir haben gezeigt, dass die herkömmliche Verarbeitung in Gegenwart eines speziellen Signals stark verzerrt ist. Das Signal verschwindet mit der Zeit, daher bezeichnen wir es als Fading-Signal. Die wissenschaftliche Herausforderung dieser Arbeit bestand darin, die Existenz des Fading-Signals in den SAR-Bildzeitreihen nachzuweisen. Eine zweite Herausforderung war, die Kolleginne und Kollegen der wissenschaftlichen und kommerziellen Gemeinschaften von der Existenz diese Störsignals zu überzeugen und vor dessen Folgen zu warnen. Erwartungsgemäß stieß diese Arbeit zunächst auf Skepsis, aber wir konnten durch wissenschaftliche Vorträge, Diskussionsrunden und Kooperationen mit aktiven Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft die Glaubwürdigkeit unserer Arbeit beweisen. Ferner haben wir gezeigt, wie unsere vorgeschlagenen, alternativen Algorithmen auch in Gegenwart des Fading-Signals genau bleiben.

An dem Projekt hat mich besonders motiviert, dass …

… die enormen Anstrengungen, die in die neue Generation von SAR-Satellitenmissionen investiert wurden, ein beispielloses Potenzial bieten, Naturgefahren zu verstehen, routinemäßig zu überwachen und dadurch Menschenleben zu retten. Besonders motiviert hat mich, zur Realisierung dieses Potenzials beizutragen, indem ich den Genauigkeitsverlust durch Big-Data-Verarbeitungsalgorithmen absichere und dadurch die Zuverlässigkeit der Techniken sicherstelle.

Um dieses Potenzial weiter auszuschöpfen, konzentrierte ich mich während der vier Jahre der Doktorarbeit darauf, alternative Datenverarbeitungsalgorithmen bereitzustellen und ihre Zuverlässigkeit und Genauigkeit sicherzustellen und zu belegen.

Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass …

… unsere neu entwickelten, effizienten und hochpräzisen Algorithmen in der routinemäßigen Überwachung der Verformung der Erdoberfläche Anwendung finden.

Unsere Techniken werden in die Standard-Datenverarbeitungskette des DLR integriert und operationalisiert. Auch andere Forschungseinrichtungen und kommerzielle Anwender haben unsere Logik in ihre Datenverarbeitung übernommen. Mein persönlicher Wunsch ist es, unsere Algorithmen im Routinebetrieb zu sehen, um Mehrwertdatenprodukte aus zukünftigen Satellitenmissionen innerhalb und außerhalb des DLR bereitzustellen.

Ich bin …

… Dr. Francesco De Zan.

Ich beschäftige mich mit …

… SAR Interferometrie, insbesondere für präzise Messungen der Bodenbewegungen.

Mir wurde der Preis verliehen, weil …

… wir ein interessantes Paper veröffentlicht haben, wo wir zeigen, dass bis jetzt nichtmodellierte Streukomponente eine signifikante Auswirkung auf Bewegungsmessungen haben. Diese Effekte sind typischerweise durch Wasservariationen in den Böden und Vegetation verursacht. Die Störungssignale können Fehler von mehreren Millimeter/Jahr erklären, das heißt, sie können schon dominant im Fehlerbudget sein.

An dem Projekt hat mich besonders motiviert, dass …

… ich hatte nur Bodeneffekte erwartet, die Beobachtungen waren aber mit dem entsprechenden Modell nicht kompatibel. Ich musste dann die Effekte der Vegetation verstehen und modellieren. Solche Überraschungen sind oft motivierenden.

Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass …

… die Störungen als Signal ausgenutzt werden können.

Ich bin …

… Alessandro Parizzi

Ich beschäftige mich mit …

… Entwurf und Entwicklung von Algorithmen für die SAR-Interferometrie, insbesondere zur Erkennung und Messung von Bodenbewegungen

Mir wurde der Preis verliehen, weil …

… ich die Versuchsplanung mit meinem know how unterstützt und zur Diskussion der Studienergebisse beigetragen habe.

An dem Projekt hat mich besonders motiviert, dass …

… das Verständnis der effektiven Fehler bei Verformungsmessungen unter Berücksichtigung auch ansonsten vernachlässigter physikalischer Effekte untersucht wurde.

Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass …

… die Berücksichtigung dieser Effekte beim Design zukünftiger InSAR-Algorithmen beiträgt und ich zum Verständnis der Leistungsfähigkeit zukünftiger Missionen beitragen konnte.